Montag, Oktober 6, 2025

Mister Spex: Die Übernahme der Macht durch das Haus Büll

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Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Tobias Krauss gibt sich als tapferer Ritter, der die Wende bringen soll. Hat er dafür den nötigen Schneid?

Kurz vor dem unerwarteten Absprung aus seinem eigenen Unternehmen hatten sich der Mister-Spex-Gründer Dirk Graber und seine Vertrauten im Aufsichtsrat einen hübschen Plan ausgedacht. Der Aufsichtsrat von Mister Spex sollte mit zwei honorigen Herren ausgeschmückt werden. Dafür schienen ein Ex-Vorstand der Hugo Boss AG und einer von Adidas die geeigneten Kandidaten gewesen zu sein.

Die Wahl erfolgte, aber die neuen Aufsichtsräte suchten kurz darauf wieder das Weite. Noch bevor ein Monat um war, legten sie ihre Ämter nieder.

100 Hunde gerettet

Der deshalb neu gewählte Vorsitzende des Aufsichtsrates heißt seitdem Tobias Krauss. In der Firma ist er ein alter Bekannter, der schon seit Jahren im Aufsichtsrat sitzt und dort bislang wenig auffiel.

Wer ist dieser Mann, der nach dem Abschied von Dirk Grabner die Geschicke von Mister Spex offenbar steuert?

Auf jeden Fall ein großer Hundefreund. Tobias Krauss rief im Internet zu Futterspenden auf und bezeichnete 2022 die Rettung von 100 Hundeleben in der Ukraine als seine größte Leistung.

Das zeugt von Mitgefühl für Tiere, aber nicht für Mister Spex. Im selben Jahr meldete das Unternehmen einen Fehlbetrag von mehr als 56 Mio. Euro. Da saß Krauss schon eine Zeitlang in seiner Kontrollfunktion und tat: was eigentlich?

Ist so einer wirklich die richtige Besetzung für die Rettung eines komplett heruntergewirtschafteten Unternehmens?

Die Neuen sollen es richten

Offenbar will Tobias Krauss jetzt ein harter Hund sein. Für den langjährigen Industrieberater und Leiter von Beteiligungsunternehmen der reichen Familie Büll aus Hamburg gibt es tatsächlich viel zu tun. Die durch das Wirken Grabners angehäuften Verluste übersteigen inzwischen 160 Mio. Euro.

Und was macht Krauss? Zunächst einmal Personalpolitik.

Streich Nummer eins: Herr Christoper Douglas, kommt aus dem Firmengeflecht der B&L-Gruppe und war verantwortlich für die Hotelsparte der Familie Büll. Einzelhandelserfahrung ist nicht zu erkennen. Welche Funktion hat Douglas bei Mister Spex? Er ist Chief Restructuring Officer (CRO) mit Prokura, aber ohne Vorstandstitel.

Streich Nummer zwei: Der neue CFO Stefan Schulz-Göhring bekommt keinen CEO zur Seite gestellt. Er übernimmt die Verantwortung vorübergehend selbst. Aber um das Operative darf er sich nicht kümmern, denn dafür gibt es jetzt…

Streich Nummer drei: Vermutlich um den zweiten Großaktionär EssilorLuxottica (besitzt die Apollo-Brillengruppe) ins Boot zu holen, benennt Krauss einen gewissen Francesco Liut zum Chief Commercial Officer (CCO). Liut arbeitete vorher in maßgeblichen Verantwortungsbereichen von EssilorLuxottica.

Streich Nummer vier: Nachdem viele Machtpositionen neu besetzt sind, muss das eroberte Terrain abgesichert werden. Deshalb soll die außerordentliche Hauptversammlung am 19. September 2024 beschließen, dass der Aufsichtsrat um die Positionen der geflüchteten Aufsichtsräte verkleinert wird. Ob damit eine Aufarbeitung des jahrelangen Schlendrians im Aufsichtsrat einhergeht, ist nicht zu erwarten.

Woher kommt mehr Geld?

Es sieht danach aus, dass Mister Spex demnächst aus dem Hause Büll kontrolliert wird und das auf mehreren Ebenen. Aber wird das Unternehmen dadurch profitabel?

Hochvergütet saß Tobias Krauss drei Jahre lang im Aufsichtsrat und sah dabei zu, wie Mister Spex immer tiefer sank. Und jetzt soll ein Masterplan die Wende bringen: 160 Mitarbeiter werden entlassen, Rabattaktionen sind gestrichen, Umsatzprognosen sollen bescheidener formuliert werden. Holt irgendwas davon Geld in die Kasse?

Dabei gibt es Näherliegendes. Dass die Einkaufskonditionen für Mister Spex optimiert werden sollen, um die Margen zu steigern, ist jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Aber eine neue Brillen-Eigenmarke soll es geben. Warum ist das nicht schon früher jemandem eingefallen, Herr Krauss? 

Ein wichtiger Pfeiler im Kraussschen Masterplan ist die Schließung von Auslandsfilialen. Hat man die Aktionäre darüber befragt? Zum Börsengang waren diese Verkaufsstellen noch Argument für einen Einstieg und hohe Bewertungen.

Dass die Läden im Ausland besonders unprofitabel sind, war auf der ordentlichen Hauptversammlung im Juni 2024 kein Thema. Nachfragen von Aktionären wurden mit dem Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis abgemeiert. Der 19. September könnte ein interessanter Sitzungstag werden.

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