„We are operating in a high margin market…“ steht als Überschrift in einer Investorenpräsentation von Mister Spex. Gemeint ist das Segment der sogenannten Korrektionsbrillen, also Sehhilfen für schwache Augen. Das verspricht fette Gewinne, wenn man es schafft, diesen Markt zu erobern. Denn durch den Verkauf von Kontaktlinsen und Sonnenbrillen bleibt am Ende viel zu wenig Geld in der Kasse.
„Gross Margin: 72%“ steht in besagter Mister-Spex-Präsentation über den Markt der Korrektionsbrillen. Das bedeutet Rohertragsmarge, also Bruttoergebnis. Im Vergleich dazu wirkt der Luxusmarkt mit 63% gemäß derselben Präsentation geradezu mickrig. Und das umkämpfte Modegeschäft mit 54% noch unbedeutender. So hat man den Mister-Spex-Investoren offenbar süßen Honig ums Maul geschmiert. Falls ja, hat das möglicherweise gut funktioniert.
Essilor, Goldman Sachs, Maschmeyer, Familie Büll
Denn unter den Wagniskapitalgebern, die bei Mister Spex eingestiegen sind, befinden sich bis heute illustre Namen: der Optikkonzern EssilorLuxottica, die Goldman Sachs Group, die Familie des Hamburger Superreichen Albert Büll und Paladin Asset Management von Marcel Jo Maschmeyer, der einen berühmten Vater hat: Carsten Maschmeyer. Sogar der deutsche Staat sitzt mit im Boot, denn das Wirtschaftsministerium hält einen kleinen Anteil. Sind sie alle auf einen plumpen Trick reingefallen?
„Den Sehtest für Brillen gibt’s kostenlos in allen Mister Spex Stores oder bei einem unserer über 400 Partneroptiker“ – stimmt nicht!
Website von Mister Spex
Das muss nicht sein, ist aber möglich. Denn Mister Spex verdient viel zu wenig Geld. Und das kommt zum Großteil aus dem wenig lukrativen Verkauf von Kontaktlinsen und Sonnenbrillen. Und von den angepeilten 72% ist Mister Spex auch meilenweit entfernt. Die derzeitige Bruttomarge beträgt nämlich lausige 50,5%. Zu wenig, um jemals in die Profitabilitätszone zu gelangen. Das hat sich wohl auch bei Mister Spex herumgesprochen.
Um ins margenstarke Korrektionsbrillengeschäft einzudringen, braucht man stationäre Läden. Sehhilfen kann man online nicht verkaufen. Es gab viele Versuche, aber keine erfolgreichen. Deshalb ist Mister Spex nur noch zum Teil Onlinehändler und betreibt eigene Filialen bzw. arbeitet mit Optikern zusammen. „Den Sehtest für Brillen gibt’s kostenlos in allen Mister Spex Stores oder bei einem unserer über 400 Partneroptiker“ steht auf der Website von Mister Spex. Ja Mensch, so kann es funktionieren, denkt man sich im Kopf. Aber die Realität widerspricht.
Immer weniger Partneroptiker – warum?
In Wahrheit sind es inzwischen nur noch 320 Partneroptiker, die das Korrektionsbrillengeschäft von Mister Spex anschieben sollen, informiert der Geschäftsbericht 2023. Das sind 20% weniger als 2021 im Börsenprospekt angegeben. Wohin sind die anderen verschwunden? Das sieht nicht wirklich nach einem konsequenten Kurs in Richtung Profitabilität aus. Übrigens: 75 eigene Shops betreibt Mister Spex gemäß Geschäftsbericht 2023, davon 68 in Deutschland. Der Rest verteilt sich auf die Auslandsmärkte Österreich, Schweiz, Schweden. Ob das genügt, um im Geschäft mit Sehhilfen ernsthaft mitzumischen, darf bezweifelt werden.
